Zillmerung

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Bedeutung der Zillmerung für den Versicherungsnehmer

Die Zillmerung steht für Viele traditionell für die Problematik eines geringen Rückkaufswert bei kapitalbildenden Lebensversicherungen nach Vertragsbeginn. Dabei wird unterstellt, dass die wichtigste praktische Konsequenz der Anwendung des gezillmerten Nettobeitragsverfahrens in der handelsrechtlichen Bilanz eine Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten mit den ersten gezahlten Beiträgen bei der Bestimmung der Rückkaufswerte sei. Daher führe die Anwendung des gezillmerten Nettobeitragsverfahren in der handelsrechtlichen Bilanz dazu, dass insbesondere bei kapitalbildenden Lebensversicherungen in den ersten Versicherungsjahren sehr geringe oder sogar gar keine Rückkaufswerte in den Verträgen vereinbart werden. Das gezillmerte Nettobeitragsverfahren des Handelsrechts wird daher insbesondere von Verbraucherschützern kritisiert. Ein rechtlicher oder sachlicher Zusammenhang zwischen der Anwendung des gezillmerten Nettobeitragsverfahrens in der handelsrechtlichen Bilanz und der Vereinbarung der Rückkaufswerte in Form einer Tabelle im Vertrag (meist einige Monate zuvor) kann allerdings aus der heutigen Rechtslage nicht hergeleitet werden. Die handelsrechtlichen Pflichten bestehen unabhängig von den im Vertrag vereinbarten Rückkaufswerten und die Parteien sind im Rahmen des Versicherungsvertragsrechtes frei, Rückkaufswerte zu vereinbaren, ohne Rücksicht auf die handelsrechtlichen Vorschriften zur nachfolgenden Abbildung der Verträge in der Bilanz.

Dennoch werden weiterhin die Begriffe „gezillmerter Vertrag“, „gezillmerter Tarif“ oder „gezillmerter Rückkaufswert“ verwendet, wenn auf anfänglich sehr niedrig vereinbarte Rückkaufswerte Bezug genommen wird. Der historische Grund hierfür ist, dass bis 1994 die Vertragsparteien durch Gesetz verpflichtet waren, die Rückkaufswerte identisch zur Deckungsrückstellung nach dem gezillmerten Nettobeitragsverfahren zu vereinbaren. Nach Wegfall der entsprechenden gesetzlichen Grundlage in 1994 besteht kein Zusammenhang mehr zur Zillmerung. Die Rückkaufswerte sind seitdem nach Vertrag bestimmt und es wird grundsätzlich nicht vertraglich vereinbart, dass sie nach dem gezillmerten Nettobeitragsverfahren zu bestimmen sind, sondern die Vereinbarung erfolgt durch vertragliche Bestimmung in Form einer Tabelle. Daher besteht das Problem nicht mehr in der Zillmerung sondern in der vertraglichen Vereinbarung der Rückkaufswerttabelle, auch wenn in der veröffentlichten Meinung, selbst in den Urteilen der obersten Gerichte, immer noch fälschlich die Zillmerung in diesem Zusammenhang erwähnt wird.

Vertragliche Bedeutung

Das gezillmerte Nettobeitrags-Verfahren hat weder durch Gesetz noch durch Vertrag irgendeine Bedeutung für das Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer, da normalerweise sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten im Versicherungsvertrag durch Angabe expliziter Zahlen bestimmt sind. Die Bezugnahmen auf das gezillmerte Nettobeitrags-Verfahren im deutschen Recht betreffen ausschließlich bilanzielle oder auf der Bilanz aufbauende aufsichtsrechtliche Sachverhalte. Vertragliche Positionen sind von diesen Vorschriften nicht betroffen. Soweit sich vertragliche Größen im Rahmen der Überschussbeteiligung auf bilanzielle Sachverhalte beziehen, bewirkt die Verwendung des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahrens bei der Berechnung der Deckungsrückstellung als Näherung für das ansonsten gesetzlich zu verwendende Bruttobeitrags-Verfahren keinen nennenswerten Effekt.

Eine wie auch immer geartete Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer über die Anwendung oder Nicht-Anwendung des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahrens bei der Berechnung der Deckungsrückstellung verbietet sich, da die Bilanzierung ausschließlich nach den Vorschriften des Handelsrechts zu erfolgen hat. Die Bilanzierung bildet den Vertrag ab, wie er ist, ohne selbst Gegenstand der vertraglichen Regelungen zu sein.

Die Rückkaufswerte zu den jeweiligen Kündigungszeitpunkten werden im Vertrag meist durch konkrete Angabe der Einzelwerte in der „Rückkaufswerttabelle“ explizit vereinbart. Eine wie auch immer geartete Vereinbarung über die Bestimmungsmethode dieser Werte verbietet sich daher. Allerdings müssen aufgrund gesetzlicher Vorschriften die Rückkaufswerte mindestens so hoch wie der Zeitwert der Versicherung sein. Auch der Zeitwert ist mit dem Bruttobeitrags-Verfahren zu bestimmen, allerdings gelten hier die Vorgaben des Handelsrechts für die Details der technischen Berechnungsgrundlagen nicht. Daher ist der Zeitwert eher niedriger als sich bei handelsrechtlicher Anwendung des Bruttobeitrags-Verfahrens ergeben würde. Auch dürfen keine Näherungsverfahren verwendet werden. Soweit die durch Einzelangabe vereinbarten vertraglichen Rückkaufswerte höher sind, als der gesetzliche Mindestwert, sind diese damit verbindlich.

Es ist bekannt, dass die Versicherer für traditionell gestaltete Verträge der Lebensversicherung die den Versicherungsnehmern angebotenen Beiträge heute noch mit den Methoden der traditionellen Versicherungsmathematik kalkulieren und dabei auch die Rückkaufswerttabellen, die sie dann mit den Versicherungsnehmern vereinbaren wollen, mit dem gezillmerten Nettobeitrags-Verfahren berechnen. Gegenstand des Vertrages ist aber nicht die Verwendung des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahrens für die Rückkaufswerte sondern die konkrete Rückkaufswerttabelle selbst, so wie sie der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Vertragsentwurf vorlegt.

Bei Verträgen nach dem AltZertG (sogenannte Riester-Verträge) ist Voraussetzung für die Zertifizierung, dass die Rückkaufswerte in den ersten 5 Jahren nicht zu sehr gemindert sind. Dies ändert aber nichts an der Verpflichtung, die Deckungsrückstellung nach dem in § 341f HGB vorgeschriebenen Verfahren zu berechnen, also analog zum gezillmerten Nettobeitrags-Verfahren bzw. nach § 25 RechVersV tatsächlich mittels des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahrens. Die aufsichts- bzw. steuerrechtlichen Vorschriften über die Zertifizierung der Produkte setzen insofern die handelsrechtlichen Vorschriften nicht außer Kraft. Allerdings muss der gegenüber der entsprechend berechneten Deckungsrückstellung höhere Rückkaufswert durch Maximierung der Deckungsrückstellung auf den höheren Rückkaufswert gemäß § 25 Abs. 2 RechVersV berücksichtigt werden. Damit wird die Deckungsrückstellung zwar nach dem gezillmerten Nettobeitrags-Verfahren bestimmt, der Effekt allerdings durch die Maximierung der Deckungsrückstellung auf den Rückkaufswert wieder aufgehoben. Entsprechendes gilt auch für Pensionsfonds und für die nach der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes für das Jahr 2008 geplanten erhöhten anfänglichen gesetzlichen Mindest-Rückkaufswerte.

Vertragliche Bezugnahme auf die Zillmerung

Die übliche Erwähnung der Zillmerung in Lebensversicherungsverträgen stellt keine Vereinbarung dar, sondern ist eine Erläuterung, warum eine andere Vereinbarung über die Nutzung der Beiträge zur Deckung von Abschlussaufwendungen getroffen wird. Diese Vereinbarung wiederum dient allein dem Zweck, eine Aktivierung von Beitragsteilen im Rahmen der Bilanzierung eines teilerfüllten schwebenden Geschäfts vorzunehmen “ eine bilanzielle Maßnahme die durch die Überschussbeteiligung ausschließlich günstig für die Versicherungsnehmer ist. Ohne diese Aktivierungsabsicht würde diese Vereinbarung nicht benötigt, da die Beiträge in das Eigentum des Versicherers übergehen und daher von diesem zu jeder gewünschten Deckung von Aufwendungen verwendet werden können. Nur um Beitragsteile als Entlohnung für ein teilerfülltes schwebendes Geschäft aktivieren zu können, wird eine vertragliche Konkretisierung über die Verwendung der Beiträge benötigt.

Das Missverständnis, die entsprechende Klausel im Versicherungsvertrag als Vereinbarung des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahrens zu verstehen, entstand dadurch, dass bei Versicherungsverträgen nicht immer ganz klar ist, was Vereinbarung und was Erläuterung dazu ist. Das gezillmert Nettobeitrags-Verfahren müsste im Vertrag weder erwähnt werden, noch ist speziell dieses Verfahren eine Voraussetzung für die Aktivierung. Würde der Versicherer das gesetzliche Verfahren nach § 341f HGB verwenden statt zu „zillmern“, würde sich nichts anderes ergeben.

Dennoch waren die Formulierungen in den Verträgen so missverständlich, dass der Bundesgerichtshof (BGH) diese Klausel und die Klausel zum Rückkaufswert 2001 für unwirksam erklärte. Grundlage für das Urteil von 2001 war die Forderung des BGH, dass in den Verträgen, wo tatsächlich oder – aufgrund von unklaren AGB – vermeintlich Rückkaufswerte nicht durch Vereinbarung konkreter Werte sondern des Berechnungsverfahrens, also z.B. des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahrens, in den AGB bestimmt werden, in diesen AGB Hinweise auf die Nachteiligkeit des vereinbarten Berechnungsverfahrens stehen müssen. Andernfalls sind diese AGB unwirksam.

Ähnlich entschied der österreichische OGH in zwei Entscheidungen vom 17. Januar 2007 (7 Ob 140/06y und 7 Ob 173/06a, weitgehend wortgleich), dass in den einschlägigen Versicherungsbedingungen „für den durchschnittlich versierten Versicherungsnehmer“ die Rückkaufswerte deutlich nachvollziehbar geregelt werden müssen und auf Nachteile der Kündigung verwiesen werden muss. Insbesondere muss, falls die eigentliche Vereinbarung durch konkrete Angabe der Rückkaufswerte durch eine Tabelle erfolgt, auf diese hingewiesen werden. Damit genügt ein Verweis auf die „tariflichen Grundlagen“, die z.B. eine Berechnung nach dem „gezillmerten Netto-Beitragsverfahren“ oder eines anderen Verfahrens, das zu einer anfänglichen Berücksichtigung aller zukünftigen Beiträge führen würde, nicht, da diese tariflichen Grundlagen dem Versicherungsnehmern nicht bekannt sind. Damit liegt in den beanstandeten Klauseln ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor und die undeutliche Klausel ist unwirksam.

Damit ist aber nicht die Anwendung des gezillmerten Nettobeitrags-Verfahren im gesetzlichen Sinn, also in der Handelsbilanz, unmöglich geworden, denn diese bilanziellen Vorschriften bestehen unabhängig von den vertragsrechtlichen Vorgaben des BGH bzw. OGH. Vielmehr fehlt es nunmehr an der vertraglichen Grundlage, Ansprüche auf zukünftige Beiträge zu aktivieren. Zudem wird die Urteile auch so interpretiert, dass die Rückkaufswerttabelle bzw. die Bezugnahme auf den Zeitwert unwirksam ist und es damit keine wirksame vertragliche Vereinbarung zu den Rückkaufswerten gibt.

Nach dem Urteil des BGH von 2005 darf der Rückkaufswert ersetzend nicht nach dem gesetzlichen Verfahren, dem Zeitwert nach § 176 Abs. 3 VVG bestimmt werden, sondern muss als Ausgleich für die Intransparenz der Klausel nach einem für die Versicherungsnehmer je nach Kündigungstermin ggf. günstigeren Verfahren bestimmt werden. Der Rückkaufswert muss mindestens die Hälfte des „ungezillmerten“ Deckungskapitals betragen, falls höher ist aber weiterhin der im Vertrag bestimmte Rückkaufswert zu zahlen. Diese halbe/halbe Regelung hat der BGH vorgesehen, da die Zillmerung, wie der BGH ausführte, nicht grundsätzlich nachteilig für die Versicherungsnehmer ist, sondern durch entsprechend höhere Ablaufleistungen auch Vorteile bietet. Daher war nicht auszuschließen, dass die Zillmerung den Interessen des Versicherungsnehmers bei Vertragsabschluss entsprach. Da aber die Verwendung unwirksamer Klauseln zu Lasten des Verwenders geht, war hier zugunsten der Versicherungsnehmer eine gewisse Verbesserung angezeigt.

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